Sonntag, 15. April 2012

Schweigen und Nichts

Das Gedicht Vom Schweigen und Nichts Von Manfred H. Freude, anschließend eine zweite Version: Vom Schweigen und Nichts Ineinsgefroren liegt himmelschwer. Tiefschwer Vergrabenes. Im Körper Gehäutet Leeres Gerede von Pulten Die NICHTS sagten. Sprachen. Ja, sprachen Doch NICHTS sagten. Schwiegen Schrieben von den Pulten – Schwiegen Von einer Stimme, mit eines Stimme. Beides zusammen Nicht Eines, sondern: Keines Was redet, aber nicht spricht Nichts sagt aber schweigt Denn dort ist Einer. Der nicht redet aber schweigt Der führt das Wort. Führt es hinaus ins Nichts. Doch wo steht das Nichts? Das Nichts, es steht auf dem Nichts. Das Schwarze, es steht auf dem Weißen. Das Schweigt: Das Schweigen Das Leichenläuten der Totenglocke (Auf dem Nichts steht das Nichts). Ineinsgefroren Beides zusammen „VOM SCHWEIGEN UND NICHTS“ Schweigen und Nichts. Himmelschwer liegt Tief Vergrabenes Im Körper. Gehäutet. Leeres Gerede von Pulten. Die nichts sagten. Sprachen. Ja, sprachen, Doch nichts sagten. Schwiegen. Schrieben von Pulten, Schwiegen. Von einer Stimme, Mit Eines Stimme. Beides und keins. Dort ist einer, Der nicht spricht, aber sagt, Der nicht redet. Schweigt. Der führt das Wort. Hinaus ins Nichts. Das Läuten der Totenglocken. Das Schweigen. Schwarzes steht auf dem Weißen. Auf dem Nichts steht das Nichts. Ineinsgefroren. Zusammen. Dieses längere freirhythmische Gedicht rückt die Reflexion um die beiden Pole „Schweigen und Nichts“ in den Mittelpunkt. Die Worte nutzen das Stilmittel des Paradoxons, um Spannung zu erzeugen, indem sie ‚das nichtssagende der Rede’ („sprachen, doch nichts sagten“) mit einem ‚das Wort führenden Schweigenden’ kombinieren. Hier klingt das alte Ideal von einer dem rein Arbiträren und Zeichenhaften enthobenen Sprache an. Das Gedicht bewegt sich, wie schon die Überschrift vermuten lässt, vor allem im Spannungsfeld von abstrakten Begriffen: Zentral ist hier die Opposition „Schweigen“ und „Nichts“, als Steigerung des Schweigens. Diese reflexiven (und weniger ‚griffigen’) Begriffe mit einigen konkreten Bildfeldern koppeln, die es den Lesern ermöglichen, die Situation zu verorten (das Ausgangsbild „leeres Gerede von Pulten“ konnotiert Redner). Diese beiden Gedichtversionen und ihre Interpretation. Freudesatz: Das Sprechen der Wissenschaft wird metaphorisch, mystisch. Es gibt keinen Urknall, es gibt keinen gekrümmten Raum, es gibt keine schwarzen Löcher, keine Strings, keine Wurmlöcher, keine Antimaterie, so spricht nur der stiere Geist. Es gibt keine bunten, schönen Bildchen vom Gehirn in der Realität, noch irgendwelche Farbaufnahmen von fernen Gestirnen, Galaxien oder Luft- und Meeresströmungen. Alles sind künstlerische Artefakte, die dem denkentwöhnten Publikum, das Können der Wissenschaft vorgaukeln wollen. Lesen und Schreiben können doch die Wenigsten! Die ältere Generation versagt. Sie glaubt an bleibende Werte. Sie glaubt noch fest an Publikationen. Dafür ist heute keine Zeit. Falsche Liebe zu falschen Ratgebern. Dieses ewige Richtigmachenwollen vergisst dieses Anklicken, Wegzappen, ohne Hinterfragen. Einige Beispiele, was Schwaigen charakterisieren soll, wäre wenn ein Mensch das ungepflegte Äußere eines anderen Menschen beurteilt. Dies ist kaum möglich. Es scheint mir auch, ethisch und moralisch, falsch zu sein. Ein Punker auf dem Bahnhofsvorplatz kann trotzdem sehr gepflegt und für seine Ansicht sehr gut gekleidet sein. Einem Essen kann man nicht ansehen, dass es koscher ist. Hierzu gehört Vertrauen. Dieses Vertrauen, das wir alle wollen, an unseren falschen Beispielen, unseren Fehlern, großziehen. Disziplin und Ordnung machen nur dumm. Fernsehdiskussionen scheinen (auch Literaturkritikern), oft langweilig und dumm. Wenn man sich aber deren versagt und nur literarischen Ratgebern (Besserwissern) oder falschen Geistesgrößen folgt, oder Leitbildern von Suff, Sex und allen gebräuchlichen Krankheiten geprägt. Alles andere ist Heldenverehrung nazistischen Stils. Aber schreiben konnten sie und ihre Rechnungen bezahlen, das musste man ihnen lassen. Aber wie es weitergeht; da fragen wir wieder unsere Götter. Wir wissen es nicht. Sprache funktioniert wie eine Farbmischanlage im Baumarkt. Immer weniger Menschen können miteinander sprechen. Es sind Messies und Leute mit Depressionen, Suizidgefährdete. Wer spricht, hat seine Karriere für immer beendet. Das wird sich und kann sich auch niemals ändern. Wer preist alle Kranken? Wir verehren die Verstorbenen auf Gedenktafeln. Lieben nazistische Götterdämmerungsbegräbnisse inszenierte Schweigeminuten, Stunden, Tage. Wer spricht macht sich schuldig. Auch der Depressionskranke. Die Helden schweigen. Der Kluge schweigt. Aber dieses allgemeine Sprechen über alles, über Gott und die Welt, nur nichts von sich preisgeben, was Angriffsflächen bietet. Wir sprechen nur, um zu wissen, dass wir nicht alleine sind. Depression kann nur der Panik und dem Ekel weichen, leeres Psychogerede wird zu künstlichem Zorn missbraucht. Und dieses ständige Klatschen über alle Albernheiten, bereits, wenn der Akteur die Bühne betritt. Text wird immer implizit, metaphysisch erfasst wie produziert. Schwaigen ist, was noch nicht im Text steht, das Nichtsz, das Gute, unbedingt Wahre, was man nicht ausdrücken kann. Es gibt keinen eindeutigen Text. Also diese Aussage: „wie könnten wir anders vorgehen als Worte so zu nehmen, was im Text geschrieben steht“, ist rein wissenschaftlich, also keine deduktive, keine apodiktische Wahrheit, nur eine auf den Nutzen bedachte Hypothese. (Nehmen wir die amerikanische Verfassung: jeder weiß, was gesagt ist, aber die Auslegung scheint sehr unterschiedlich, und doch ist der Nutzen unzweifelbar). Schwaigen (Sprache) aber ist mehr als Hypothese. Eine Interpretation ist immer individuell, implizit, intuitiv, autorintentional, hermetisch und widersprüchlich und nicht zu verallgemeinern. Texte die wir schreiben oder interpretieren, entziehen sich menschlichem Wissen, indem sie das erdenkliche Wissen übertreffen. Daran misst sich mein Schwaigen. Dieses Übertreffen (hyperbole) ist der Wandel von einer zu einer anderen Wahrheit. Das Schwaigen, als der Übergang, welcher den Text, als auch das schweigende, nicht gesagte Nichtsz, als ein Sein oder Nichtsein zugleich, intuitiv denken lässt. In der Interpretation wie in der Textproduktion wird immer gemutmaßt. Nichts ist hierbei eindeutig. Text ist eine Idee in der Schale. Wir sprechen und schreiben, um an die Wahrheit zu kommen, können sie aber noch nicht aussprechen. „Alle wissen doch, wenn wir etwas sagen oder auch lesen, wir glauben es einst zwar zu verstehen, jetzt aber sind wir in Verlegenheit gekommen“, so, ein etwas veränderter Plato, Sophistes 244 a. Wenn wir Sein nicht definieren können, glauben aber zu verstehen, wenn wir sagen „draußen regnet es“ oder „der Himmel ist blau“; also, wenn wir immer etwas sagen, so verstehen wir etwas, und zwar, etwas Vorläufiges. Nicht nur unsere Erklärungen und Interpretationen von Texten sind different, sondern bereits unsere Herangehensweise an Texte, ist richtungslos. Die Frage nach dem Schwaigen ist nicht Antwort auf eine Binsenweisheit nach einem unendlichen Zirkel. Vielmehr gehört die Frage, was vor dem Text war und was nach dem Text sein könnte, in diesen Kontext. Natürlich spielen in meiner Theorie, die Frage nach Sein und Zeit eine größere Rolle, als diese Frage, nach einem linguistic turn, eher diese copacobanische Wende oder seriöser diese unerhörte Wende. Aber es wäre nur ein weiteres Beispiel. Ob ich vielleicht wissenschaftlich an einen Text, philosophisch, historisch, hermeneutisch, psychologisch, anthropologisch, politisch, dichterisch oder biografisch herangehe, das alles kann doch nicht zum gleichen Ergebnis führen. Eine Bejahung einer Aussage kann stets nur eine vorläufige sein. Es zeigt sich aber in der Sprache, im Text ein Phänomen, wie eine Krankheit. Diese implizite logische Erklärung. Diese zeigt sich, indem sie sich selbst nicht zeigt. Dieses „sich nicht zeigen“ heißt hier in meinem Sprachgebrauch Schwaigen. Der Text spricht als ein Subtext, der sich im eigentlichen Text verbirgt. Das phänomenologische Sichzeigen ist keinesfalls das, was im Text erscheint, noch etwas Beliebiges. Der Text kann also auch nicht etwas sein, was hinter dem Text ist, noch etwas, was nicht im Text erscheint. Es ist aber der Text, und es steht im Text, aber es ist nicht der Text selbst, so, wie die Krankheitssymptome die sich zeigen, auch nicht die Krankheit selbst sind. Ein Text wird als eine leere Erklärung weitergegeben. Will man es genau wissen, oder glaubt der Autor sein Text sei noch nicht verstanden, so gibt er weitere Erklärungen. Der Zeitpunkt, an dem jemand verstanden hat, oder an dem jemand glaubt, man würde verstehen, bleibt unbekannt. Aber man versteht immer etwas. Aus der Arbeit mit dem Text selbst wird sich der Sinn ergeben. Eine Frage nach dem Schwaigen kann nur eine nach allgemeinerem Sinn eines Textes sein, wie auch seine Leere. Eine Frage nach der Lehre des Textes kann nur diese beiden Gedanken einschließen. Wer dieses Buch gelesen hat, denkt anders über das Sprechen, Reden und Schreiben. Nicht, dass es heißt, er schweigt lieber, vielmehr er redet munter drauflos. Denn ab jetzt kann man redend nichts mehr falsch machen.

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